Über Zeit und Zukunft

Die Zukunft – ein Mysterium. Wir sprechen immer über „die Zukunft“, doch was ist sie überhaupt? Eigentlich gibt es nur eine einzige plausible Antwort auf diese Frage: Zukunft ist die Zeit, die vor uns liegt. Und das ist auch schon Alles. Oder auch Nichts. Je nachdem, von welcher Perspektive aus man dies beurteilen möchte. Alles, da wir Zukunft sind. Da wir Zukunft leben. Zukunft definiert uns. Die Vergangenheit ist vergangen, sie kann nicht mehr geändert werden. Natürlich prägt sie uns, allerdings spiegelt sie auch nur ein „vergangenes Ich“ wider. Man verändert sich, ich verändere mich. Und deshalb ist der Blick in die Vergangenheit auch nicht aussagend über das, was wir sind. In diesem einen Moment. Jetzt.

Im Gegensatz dazu: Die Zukunft – Die Zukunft zeigt, wer wir sein möchten. Ob wir Taten, Charakterzüge und Erfahrungen der Vergangenheit fortsetzen und weiterführen wollen, oder nach Veränderung streben. Ich meine, theoretisch ist das ja die Gegenwart, doch diese wird innerhalb von Millisekunden zur Zukunft oder Vergangenheit, wieder je nach Perspektive.

Die Zukunft zeigt uns, wer wir sein wollen. Wie wir unser Leben, unsere Welt gestalten möchten. Und das kann durchaus ziemlich beängstigend sein, und das nicht unberechtigt. Und auch, wenn man darauf Einfluss nehmen kann, wie die eigene Zukunft aussieht, hat man tatsächlich alles selbst in der Hand? Nein, hat man nicht. „Die Zukunft“ – Alles oder Nichts? Nichts, weil nichts feststeht. Nichts, weil es keinen einzigen festen Anhaltspunkt gibt, um den sich unsere Zukunft drumherum bauen könnte. Man weiß nicht, was passieren wird, deshalb ist die Zukunft Nichts. Sie ist ein Vakuum, das vor uns liegt: Es gibt noch keinen Inhalt. Fast wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, jedoch ist noch nicht einmal das Papier existent. Denn wer weiß, ob es dieses Blatt Papier in der Zukunft geben wird? Niemand. Vielleicht weiß es das Universum, oder das Schicksal, wenn es ein solches gibt.

Trotzdem können wir Einfluss auf die Zukunft nehmen. Jede Entscheidung, die wir treffen, führt zu einer neuen Entscheidung und damit zu einer neuen Situation, die erneut Konsequenzen haben wird, über die wir uns in diesem Moment aber noch gar nicht bewusst sind bzw. gar nicht bewusst sein können.

Aber was ist sie nun, die Zukunft – Alles oder Nichts?

Tja, wer sich eine klare Antwort auf die Frage erhofft hat, den muss ich leider enttäuschen. Sie ist beides.

Die Zukunft ist magisch, sie ist faszinierend. Niemand weiß, was passieren wird, doch jeder weiß zur gleichen Zeit, dass Alles passieren wird. Es ist alles möglich, und gleichzeitig wird nur ein ganz kleiner Teil aller möglicher Geschehnisse eintreten. Ich sage, dass wir Zukunft sind und dass sie uns definiert. Das mag manche unter Druck setzen. Sollte es aber nicht.

Denn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind Konstrukte der Zeit. Und Zeit hat nunmal an sich, dass sie tickt. Dass sie immer weiter geht und niemals stehen bleibt. Auch, wenn man sich das manchmal wünschen würde. Aber somit ist auch die Zukunft kein feststehender Zeitabschnitt, sondern sie verschiebt sich jede Sekunde. Und deshalb kann man sich auch jede Sekunde dazu entscheiden, seine Zukunft zu gestalten. Sie anders als die Vergangenheit aussehen zu lassen. Und das kann kein Schritt zurück sein – wie sollte das auch möglich sein? Es gibt keine Entscheidung, die einen zurückwerfen kann. Die Zeit läuft ja immer weiter, und somit ist jede Entscheidung ein Schritt nach vorne. Aus jeder Entscheidung lernt man etwas. Das muss man sich manchmal bewusst machen. Man kann in jedem Moment die Zukunft ändern. Mit einer kleinen, oder auch großen Entscheidung. Nicht, dass man sie komplett in der Hand hat, aber eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit gibt es definitiv.

Deshalb: Zukunft ist Freiheit. Auch, wenn wir sie nicht gänzlich beeinflussen können, sind wir diese Zukunft. Wir sind diejenigen, die sich der Zukunft fügen, egal, ob es sich um Folgen unser eigener Entscheidungen oder um Zufälle oder das Schicksal handelt. Zukunft ist Freiheit, weil es keinen vorgeschriebenen Weg gibt. Alles was existiert, ist ein unendlich großes Vakuum. Und wie schön ist das Gefühl zu wissen, dass einem noch alle Möglichkeiten offenstehen? Dass niemand weiß, was passieren wird. Dass ich keinerlei Ahnung habe, wo ich in genau einem Jahr stehen werde. Welche Menschen ich um mich herum haben werde. Was meine Visionen für die Zukunft sind. Diese Freiheit zu haben, ist ein riesiges Geschenk. Und vielleicht sorgen genau diese unvorstellbaren Dimensionen dafür, dass es schon fast beängstigend ist. Dass es uns einschüchtert. Man hat eine solch große Freiheit – dann möchte man ja auch etwas aus diesem Geschenk machen. Diese Chance möchte man nutzen. Man möchte das Beste aus ihr herausholen. Und daher entsteht dieser Druck. Der Druck, seine perfekte Zukunft gestalten zu müssen. Man muss es gar nicht selbst sein, aber wie oft wird man nach seiner Zukunft gefragt? Als müsste es schon für alles einen perfekten Plan geben. Aber warum? Warum kann man es nicht einen kleinen Moment genießen, dass noch nichts vorherbestimmt ist? Warum muss das Vakuum der Zukunft schon bis in die letzte Ecke ausgefüllt sein, obwohl die Zukunft noch nicht einmal hier ist? Warum sollte man einen Plan für die Zukunft über mehrere Jahre haben, obwohl die Zukunft, die gerade noch Nichts ist, sowieso Alles werden wird. Warum sollte man so lange vorausplanen, wenn die Zukunft durch die kleinste unterbewusste Entscheidung eine ganz andere Richtung einschlagen kann.

Ich sage nicht, dass man sich keine Gedanken über die eigene Zukunft machen sollte – dann würde ich mir ja selbst widersprechen. Ich habe gesagt, dass wir Zukunft, und nicht Vergangenheit, sind. Und die Schönheit der Zukunft liegt darin, dass wir die Vergangenheit schon durch eine kleine Veränderung in unserem Handeln, unserem Denken, unserem Sein unbedeutend machen können. Deshalb: Natürlich sollte man sich fragen: Wie möchte ich sein? Wer möchte ich sein? Was möchte ich verändern? Doch ich sage, dass man nicht einen jahrelangen Plan vorlegen muss, da so viele Faktoren in der Zukunft unvorhersehbar sind und sie unser eigenes Leben zwangsläufig beeinflussen werden. Auch wenn sie vorher in keinem Plan zu lesen waren. Vielleicht ist es gerade gut, noch nicht jede Lücke des Zukunft-Vakuums ausgeplant zu haben. Ist man so nicht offener für all die Dinge im Leben, die einem unvorhersehbar über den Weg laufen? Ist man so nicht offener für Veränderung und neue Perspektiven?

Hier tauchen gerade viele Fragezeichen auf. Und das ist auch kein Wunder, denn wenn die Zukunft aktuell noch Nichts ist, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sich Fragen über die kommende Zeit zu stellen. Für feste Aussagen ist es noch zu früh, denn niemand weiß, was die Zukunft trotz aller Pläne tatsächlich bringt. Und hier sind wir wieder bei der Freiheit, die Zukunft bedeutet. Und das heißt aber auch, sich von dem Druck zu lösen, das Beste aus dieser Freiheit machen zu müssen. Wie oben geschrieben: Die Zukunft ist Zeit, und Zeit tickt immer weiter. Deshalb haben wir nicht nur die eine Chance der Freiheit, sondern wir können sie jede Sekunde ergreifen. Wozu dann der ganze Druck? Wir können uns in jedem Moment umentscheiden und immer wieder einen neuen Schritt nach vorne machen.

Jetzt gerade ist die Zukunft Nichts, doch es wird der Moment kommen, da ist sie Alles. Sie ist Alles in dem Moment, in dem sie zur Gegenwart wird. Und in diesem Moment befindet sich auch wieder eine neue Freiheit der Zukunft vor uns.

Puh, mich würde ja ernsthaft interessieren, ob du bis zum Ende durchgeblickt hast. Ob es eine Person gibt, die meine Gedanken vielleicht nachvollziehen kann. Ob es jemanden gibt, der sich mit manchen Gedankengängen sogar identifizieren kann und sich selbst darin wiederfindet. Oder ob es jemanden gibt, der sich dadurch das erste Mal selbst Gedanken darüber macht, wie er oder sie über Zeit und Zukunft denkt.

Wie kaum zu überlesen ist, beschäftige ich mich gerade viel mit der Zukunft, nämlich mit meiner eigenen Zukunft. Und wie man unschwer erkennen kann, weiß ich nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin 19 Jahre alt, gerade noch im Ausland, und möchte gerne zum Wintersemester anfangen zu studieren. Doch was ist die richtige Entscheiung für mich? Welche Uni ist die beste? Welche Stadt passt zu mir? Verbaue ich mir mit einigen Studiengängen die Zukunft? Gibt es überhaupt die perfekte Entscheidung, die perfekte Lösung? Diese Fragen beschäftigen mich unterbewusst so sehr, sodass ich müde davon werde. Dabei will ich doch meine Zeit im Ausland bis zur letzten Sekunde vollkommen auskosten können. Wo ist das Aloha-Feeling, das ich so sehr verinnerlicht hatte und leben wollte? Wo ist mein Pura Vida, dessen Lebenseinstellung ich so sehr bewundere? Wieso finde ich mich gerade in einer unglaublich verkopften und verkrampften Denkweise wieder, von der ich dachte, sie erfolgreich hinter mir in Deutschland gelassen zu haben? Ich weiß, dass sie mich nicht weiterbringt und sie mich selbst unter Druck setzt. Doch daran arbeite ich jetzt: Sie gehört wieder der Vergangenheit an.

Den Blick Richtung Zukunft gerichtet

Die Zukunft werde ich anders gestalten. Ich möchte mir meine eigenen Gedanken mehr zu Herzen nehmen und sie leben. Ich habe das unglaubliche Privileg und die überwältigende Freiheit, einen Großteil meiner Zukunft jetzt selbst gestalten zu können. Ich kann das studieren, was mich interessiert. Was gibt es besseres? Und ja, auch wenn das eine verhältnismäßig große „Lebensentscheidung“ ist, wird sie mich nicht definieren. Denn nur die Zukunft definiert mich: Das, was ich aus dieser Enstcheidung mache, definiert mich. Ob ich meine Entscheidung doch noch einmal ändere, oder für mich merke, dass es genau die richtige ist. Jede Entscheidung, die ich treffen werde, wird ein weiterer Schritt nach vorne sein, denn so funktioniert die Zeit. Und somit wird mich auch jeder Schritt weiterbringen.

Es gibt keine Rückschritte, denn das lässt die Zeit nicht zu. Ich finde diesen Gedankengang wunderschön, denn er zeigt, dass man sich nicht von Gesellschaftskonstrukten oder selbst aufgebauten Druck beängstigen lassen muss. Das gibt mir Selbstsicherheit und ein gutes Gefühl. Ich kann keine falsche Entscheidung treffen, denn gerade jetzt ist die Zukunft noch Nichts, aber egal, wie ich mich entscheide, wird sie im nächsten Moment Alles werden.