Warum ins Ausland?

10/20/2021

Namibia Roadtrip Afrika
Namibia Roadtrip Afrika

Die Frage bekomme ich immer wieder gestellt und ich antworte ich jedes Mal sehr ähnlich: Ich mag das Gefühl, auf mich alleine gestellt zu sein. Ich liebe den kleinen Adrenalinschub am großen Flughafen, in dem ich alleine herumirre. Ich mag es, wenn nur ich selbst für mich verantwortlich bin und kein anderer. Ich möchte unbedingt meine Sprachkenntnisse aus- bzw. erst aufbauen. Und wo geht das besser als im Ausland?

Die nächste Frage kommt direkt danach: „Aber wieso so weit weg? Was ist mit England oder Spanien?“ Nichts ist mit diesen Ländern, ich habe nichts gegen diese Länder. Ich war schon dort und mir hat es gefallen. Sehr gut sogar. Für mich geht es nicht darum, was gegen diese Länder spricht, sondern um die Gründe, wieso ich eben weiter weg möchte.

Was soll ich sagen... Es zieht mich einfach raus.

Eigentlich vermeide ich es, diesen Satz zu sagen. Ich habe das Gefühl, schon fast in eine Schublade gesteckt zu werden mit all den „Lisas“, die nach Australien gehen. Es klingt so sehr nach dem Standard, der sich die letzten Jahre neu etabliert hat. Es ist die Ausnahme, nach dem Abi nicht die Welt bereisen zu wollen, um fernab von dem üblichen Alltag zu leben. Ob Backpacking, Auslandsstudium oder vielleicht auch nur entspannen: Hauptsache weg. Das meine ich überhaupt nicht negativ. Ehrlich, ich finde es sogar sehr gut. Aber das führe ich ein andern Mal aus.

Was ich damit sagen will: Auch wenn es natürlich stimmt und es auf mich zutrifft, möchte ich nicht diese Standard-Antwort geben. Ich möchte, dass meinen Gesprächspartner:innen bewusst wird, dass hinter Es zieht mich einfach raus für mich persönlich so viel mehr steckt, als sie vielleicht anfangs annehmen. Ich möchte, dass die Menschen verstehen, wie viel mir diese Zeit, diese Reise wert ist. Wie viel sie für mich bedeutet. Wie wichtig sie mir ist. Und wieso es mir eben auch so wichtig ist, weit weg zu sein.

Es geht mir nicht um das Prinzip zu sagen, je weiter weg, desto besser. Das stimmt nicht. Zumindest nicht zu 100%. Ich habe mit gerade 19 Jahren von der Welt zwar schon verhältnismäßig viel gesehen, aber bin natürlich auch immer in der gleichen „Bubble“ gewesen. Mein Ehrgeiz ist es, den Blick für mehr, für die Gesamtheit der Welt zu erweitern. Ich möchte mehr lernen. Mich bilden. Ich möchte einen breiteren Blickwinkel erlangen. Ich möchte für so vieles mehr Verständnis bekommen, für andere Menschen, für Lebenssituationen, für Gesellschaftsschichten und für so viel mehr - Diese Liste könnte ich noch ewig weiterführen.

Perspektivenwechsel: Sonnenuntergang auf der anderen Seite der Welt

Doch um die Welt, oder besser gesagt einen Ort, und die Menschen dort aus einer ganz neuen Perspektive zu betrachten, muss ich einen Großteil meines Alltags und meines gewohnten Umfelds ausblenden. Damit meine ich natürlich nicht meine Freunde oder Familie, aber ich meine dieses „Präsentsein“ aller möglicher Komponenten, die hier in meinem Leben eine Rolle spielen. Ich brauche einen möglichst großen Abstand zu meinem alltäglichen Leben, um dann an einem neuen, anderen Ort hundertprozentig aufnahmefähig für neue Erfahrungen zu sein. Ich will meine Erfahrungen nicht von alten Erfahrungen beeinflussen lassen, sondern bei Null anfangen.

Ich stelle es mir ein bisschen wie ein leeres Blatt Papier vor, das beschrieben wird. Natürlich meine ich nicht ein einzelnes Blatt Papier. Es ist nur ein Blatt, das Teil eines ganzen Buches ist, welches auch schon ganz viele beschriebene Seiten hat. Nur wird jetzt eben weiter geblättert.

Es ist wichtig zu verstehen: Ich sage damit nicht, dass ich versuche, mein Leben hier zu vergessen. Ich sage nur, dass ich meine Erfahrungen nicht mischen, nicht durcheinander bringen möchte. Deshalb wird das eine Buch auch nicht zugeklappt, in ein Regal geräumt und einfach ausgetauscht, sondern es braucht schlichtweg eine neue Seite mit einer neuen Kapitelüberschrift. Aber um weiter blättern zu können, brauche ich eine gewisse Distanz, eine Entfernung. Klar ist England ein anderes Land, aber „weg“ von Deutschland fühle ich mich auch nicht wirklich. Ich könnte schließlich mit dem Auto zurückfahren, wenn ich wollte. Ich hätte die Befürchtung, es könnte zu viele Parallelen zu meinem Leben hier geben, sodass sich mir dieser große Blickwinkel nicht ergeben würde. Vielleicht sind diese Überlegungen für andere nicht nachvollziehbar, aber ich bin davon überzeugt, dass ich persönlich diese Entferung brauche.

Namibia Roadtrip Afrika Annerschtwo
Namibia Roadtrip Afrika Annerschtwo

Ich liebe mein Zuhause, aber für diese paar Monate werde ich es nunmal verlassen. Sonst fühlt es sich zu sehr nach Komfortzone an, und aus dieser muss man eben hinauskommen, um selbst wachsen und sich entwickeln zu können. Ich persönlich brauche die Distanz, um mich voll und ganz auf diese neuen Erfahrungen einlassen zu können.

Und genau das versteckt sich hinter meinem persönlichen Es zieht mich einfach raus.

„Wieso mache ich diese Reise überhaupt?”