Cape Coast Castle – Besuch der ehemaligen Sklaven- Festung an der Küste von Ghana
8/24/2023
Wer nach Ghana reist, sollte unbedingt einen Besuch des Cape Coast Castles einplanen. Nur an wenigen Orten kann man Geschichte so hautnah nachempfinden wie in Cape Coast. Aus diesem Grund werde ich meine persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen meines Besuchs in diesen Blogpost einfließen lassen.
Wer sich ein bisschen mit Westafrika auskennt, weiß vielleicht, dass Ghana bis 1957 eine britische Kolonie war. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass das Cape Coast Castle von den Briten gebaut wurde oder es ausschließlich unter britischer Kontrolle war: Tauche ein in spannende Jahre der Geschichte und lerne über die tragische Zeit des Sklavenhandels auf eine solch eindrückliche Art und Weise, wie es dir kein Geschichtsbuch oder -Unterricht je vermitteln könnte.
Alles wichtige, was du vor einem Besuch des Cape Coast Castles wissen solltest, findest du in diesem Beitrag:
Der Ausblick von der Festung: So friedlich und eindrucksvoll der Blick wirkt, so brutal und abscheulich ist die Geschichte, die sich an diesem Ort abgespielt hat.
Geschichte des Cape Coast Castles
1555: Die Portugiesen waren die ersten Europäer, die sich am Ort des heutigen Cape Coast Castles niederließen. Allerdings bauten schließlich die Schweden dort im Jahr 1653 einen Fort, durch den sie die Errichtung des heutigen Cape Coast Castles initiierten. Dies bedeutet, dass die Schweden das Castle nicht genau in der Form gebaut haben, wie es heute noch zu sehen ist. Letztendlich waren es die Briten, die nach den Dänen und anschließend Niederländern in den 1660ern die langfristige Kontrolle über das Castle übernahmen und das Castle so erweitertern, wie es heute noch zu sehen ist. Die Festung war nicht von Beginn an für den Sklavenhandel gedacht. Zunächst diente es dem Handel von Gold, Holz und Textilien, bevor die Briten begannen, Afrikaner im großen Stile zu versklaven. Das Cape Coast Castle wurde dementsprechend von den Briten angepasst: Neue große Verliese ermöglichten neue Dimensionen des Sklavenhandels, sodass im 18. Jahrhundert der Handel des Castles zweifellos vom Verschiffen der Sklaven nach Nord- und Südamerika dominiert wurde.
Der Hafen befindet sich unmittelbar neben dem Castle. Läuft man durch die Door of No Return, steht man direkt am Hafen.
1807 wurde der Sklavenhandel in Großbritannien abgeschafft. Dies bedeutet, dass die Briten zwar keine Sklaven über den Atlantik schifften, aber die Sklaverei in den britischen Kolonien noch erhalten blieb. Bis zur endgültigen Abschaffung der Sklaverei von Großbritannien im Jahr 1838 mussten die Sklaven daran arbeiten, eine möglichst mächtige und rentable “Neue Welt” der Briten zu errichten. Die Sklaverei war zwar auf dem Papaier beendet, jedoch spiegelte dies nicht überall die Realität wider.
Die Briten behielten die Kontrolle über Cape Coast Castle und nutzen es im Anschluss als administratives Zentrum ihrer Kolonialherrschaft. Erst im Jahre 1957, als Ghana die Unabhängigkeit erlangte, verließen die Briten Cape Coast Castle. Nach fast 300 Jahren war Cape Coast Castle nicht mehr unter britischer Kontrolle.
Eintrittspreise
Während ghanaische Staatsbürger nur GHS 5 zahlen, müssen ausländische Erwachsene GHS 40 zahlen. Dies entspricht bei aktuellem Wechselkurs (Juli 2023) 3,15 Euro. Falls du Student:in bist und deinen Studentenausweis dabei hast, zahlst du nur GHS 30, also 2,26 Euro.
Geführte Tour durch das Cape Coast Castle
Das Castle liegt wunderschön an der Küste, direkt neben dem Hafen. Diese, im ersten Moment schönen und beeindruckenden Anblicke, werden jedoch schnell von der Geschichte dieses Ortes überschattet. Um wirklich verstehen und realisieren zu können, welche Menschheitsverbrechen auf diesem Boden begangen worden sind, lege ich jeder und jedem nahe, an einer geführten Tour teilzunehmen.
Geführte Touren durch das Castle beginnen in sehr regelmäßigen Abständen und es wird kein zusätzlicher Preis für die Teilnahme an der Führung verlangt. Am Ende der Führung freut sich der Guide über ein kleines Trinkgeld. Die Führungen gehen circa eine Stunde. Man sollte definitiv darauf achten, genügend Wasser bei sich zu haben. Vor allem wenn die Sonne scheint, wird es extrem heiß – die hohe Luftfeuchtigkeit macht das nicht gerade besser. Zwar spielt der sich der Großteil der Führung in den Innenräumen des Castles ab, jedoch ist es gerade dort sehr heiß und stickig.
Hier, im Zentrum des Castles, startet die einstündige Führung.
Dies ist der erste Kerker, der bei der Führung besichtigt wird.
Die Führung beginnt auf dem zentralen Platz des Castles. Auf der einen Seite blickt man aufs Meer hinaus, auf der anderen Seite auf die weißen Mauern und Wände des Castles. Im ersten Teil der Tour wird man durch die Kerker geführt, in denen die Sklaven eingesperrt waren. Man könnte auch sagen, sie wurden dort gelagert. Diese Wortwahl klingt furchtbar, brutal und unwürdig – allerdings spiegelt sie deshalb genau das wieder, was der britische Sklavenhandel im Cape Coast Castle war: Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Sklaven wurden nicht als Menschen gesehen, sondern wie Objekte behandelt, die man anschließend als Ware in Richtung der amerikanischen Kontinente geschickt hat, um sie dort zu verkaufen. Die Umstände, unter denen die Sklaven schon vor ihrer Verschiffung über den Atlantik im Castle leben mussten, sind unvorstellbar gewesen. Und deshalb ist die Besichtung dieses Ortes so wichtig: Dieses Unvorstellbare wird zumindest etwas greifbarer.
Dadurch, dass das Sonnenlicht nur gebündelt durch diese kleinen Öffnungen in der Steinmauer kommt, sind viele Sklaven in den Kerkern erblindet.
Die Tour führt durch verschiedene Kerker, in denen der Guide jeweils berichtet, welche Sklaven (Männer oder Frauen) dort eingesperrt waren und unter welch grausamen Umständen sie zwischen 2 Wochen und 3 Monaten in diesen Verliesen leben mussten. Sobald man die Kerker betritt, fällt einem das Atmen schwer – aus zwei Gründen: 1. Bei den Berichten des Guides bleibt einem einfach die Luft weg. 2. Es ist tatsächlich unfassbar stickig und heiß in den Kerkern.
Es ist unvorstellbar, dass sich damals nicht nur um die 15 Personen wie bei der Führung, sondern je nach Größe des Kerkers bis zu 200 Sklaven in einem Kerker befunden haben. Schon bei der Führung war der Geruch nicht angenehm – wie muss es wohl gewesen sein, wenn in einem Kerker 200 Sklaven lebten, die zudem keine Möglichkeit hatten, sich zu waschen oder einen externen Ort zum Urinieren etc. hatten? Sie mussten auf den Regen warten, der die Rinne ausspülte, die durch die Mitte des Kerkers läuft. Aufgrund dessen sind schon unzählige versklavte Afrikaner gestorben, bevor sie überhaupt auf Schiffe gebracht werden sollten.
Bis zu drei Monate mussten die Sklaven in diesen Kerkern verbringen.
In einem der Kerker ist ein Schrein aufgestellt, an dem viele Besucher Gegenstände hinterlassen. Sehr viele Afro-Amerikaner besuchen Cape Coast Castle auf der Suche nach ihren Wurzeln. Sie besichtigen den Ort, an denen ihre Vorfahren ihre Heimat das letzte Mal gesehen haben. Für viele ist der Besuch sehr emotional. Spirituelle Handlungen sind keine Seltenheit: Als ich mich im Kerker befand, war ein Mann wie besessen und hat deshalb unglaublich laut geschrien. Ich kenne mich mit den Formen traditioneller ghanaischer Spiritualität nicht aus, aber anscheinend hat bei diesem Mann ein Ritual extreme Ausmaße angenommen. Vorfälle wie diese sind keine Seltenheit, da viele von ihrer eigenen Familiengeschichte übermannt werden.
Nach der Besichtung der Kerker der männlichen Sklaven folgen die der weiblichen Sklaven. Ja, auch Frauen wurden versklavt – Das wusste ich vorher nicht. Sie lebten unter ähnlichen Bedingungen wie die Männer: Neben den Nahrungsmitteln, die nicht mehr als zum Überleben reichen sollten, gab es keinerlei externe Möglichkeiten zum Urinieren oder Menstruieren. Neben dem Hauptkerker der Frauen befindet sich eine weitere kleine Zelle, in die man auch einen Schritt hereingehen kann. Dies war der Ort, an denen die Frauen gefangen gehalten wurden, die sich einer Vergewaltigung von britischen Männern widersetzten.
Dies ist die kleinere Zelle für die Frauen, die sich einer Vergewaltigung widersetzten.
Die Führung geht weiter: Der Guide öffnet das große Tor und man steht direkt vor dem Hafen. Sklaven, die durch dieses Tor geführt wurden, haben in diesem Moment ihr Heimatland zum letzten Mal gesehen. Daher kommt der Name “Door of No Return”. Hier gab es kein Zurück mehr. Die Sklaven, die den Aufenthalt im Castle überlebten, wurden nun auf die Schiffe gebracht. Durch die ebenfalls grauenhaften Bedingungen auf den Schiffen sind bei Weitem nicht alle Sklaven in Amerika lebend angekommen.
Der zweite Teil der Tour führt in das Obergeschoss des Castles. Hier besichtigt man die Räumlichkeiten, die von den Briten selbst genutzt wurden, wie beispielsweise das Schlafzimmer des Governors. Ich bin ehrlich, so unglaublich viel weiß ich über diesen Teil der Tour nicht mehr. Ich war nach der Besichtigung der Kerker nicht mehr wirklich aufnahmefähig und musste das Gehörte erstmal verdauen. Während der Besichtung des Obergeschosses musste ich einfach nur durchgängig daran denken, wie das britische Personal dort oben, trotz des Bewusstseins über die unmenschlichen und ekelhaften Umständen in den Kerkern, unbekümmert leben konnte.
The Door of No Return.
Obwohl die Führung unglaublich interessant war: Ich bin erleichtert gewesen, als sie schließlich zu Ende war. Leichte Kost ist das nicht.
Fazit Cape Coast Castle
Cape Coast Castle ist kein Entertainment-Programm, sondern dient zum Lernen und Verstehen. Cape Coast Castle gibt dir einen schmerzhaften Einblick in die Geschichte von Westafrika und die Gräueltaten europäischer Nationen. In Deutschland habe ich vor einigen Jahren das Konzentrationslager Buchenwald besichtigt. Auch hier haben sich einige der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgespielt. Dieser Besuch war unglaublich prägend, jedoch wird im Cape Coast Castle vieles noch greifbarer. Das Castle steht noch vollständig, in den Kerkern steht die Hitze und es fehlt das Tageslicht – Die Besichtigung des Cape Coast Castles lässt einen zumindest stark erahnen, unter welchen Umständen die afrikanischen Sklaven dort auf ihre Verschiffung warten mussten. Und das ist an vielen anderen Orten, wie zum Beispiel in Buchenwald, schwieriger: Man steht zwar auf dem Boden, an dem so vieles Schlimmes stattgefunden hat, jedoch kann man es nicht im Ansatz nachempfinden. Wenn der Guide im Castle nur für wenige Sekunden die Türe des Kerkers schließt und das Licht ausschaltet, bekommt man eine relativ realitätsnahe Idee davon, unter welchen Bedingungen die Sklaven dort eingesperrt waren.
Der Blick auf den Ort, an dem die Sklaven auf die Schiffe Richtung USA und Europa verladen wurden – ein bedrückendes Gefühl.
Es mag dir sehr weit weg vorkommen, was die Europäer Millionen von Afrikanern angetan haben – sowohl räumlich als auch zeitlich. Daher ist es umso wichtiger sich dessen bewusst zu werden und so auch aktuelle Themen besser verstehen zu können. Zum Beispiel wenn es darum geht, dass sich einige Nationen von der britischen Krone befreien wollen oder es Diskussionen um „Entschädigungen“ gibt. Und ja, der Sklavenhandel liegt nun tatsächlich einige Zeit zurück, aber der Fakt, dass die Briten noch bis 1957 in Ghana geherrscht haben, ist unglaublich. Das ist noch keine 70 Jahre her.
Wichtig zu sagen ist natürlich auch: Nicht nur die Briten waren für den Sklavenhandel verantwortlich. Andere europäische Nationen haben genauso mit Slaven gehandelt und Menschheitsverbrechen begangen. Doch in diesem Beitrag geht es speziell um das Cape Coast Castle, welches jahrhundertelang von britischer Herrschaft dominiert war.
Elmina Castle versus Cape Coast Castle
Dies ist der Innenhof des Elmina Castles.
Elmina Castle ist ein weiteres „Slave Castle“ an der ehemaligen Goldküste und ist nur etwa 20 Minuten mit dem Auto vom Cape Coast Castle entfernt. Die Eintrittspreise sind in beiden Castles die gleichen. Elmina Castle wurde damals von den Portugiesen gebaut und später von den Niederländern eingenommen. Diese nutzten das Castle für den Handel von Gold und Elfenbein – später dann ebenfalls für Sklaven. Elmina Castle ist größer als das Castle in Cape Coast und ebenfalls einen Besuch wert. Die Führungen des Cape Coast und Elmina Castles sind sich relativ ähnlich. Allerdings wird in Cape Coast der Fokus noch stärker auf die Zustände in den Kerkern der Sklaven gerichtet, während in Elmina etwas mehr über das Leben der Europäer berichtet wird.
Der Ausblick aus dem Obergeschoss des Elmina Castles.
Ich kann beide Besichtigungen empfehlen, würde mich aber für Cape Coast entscheiden, wenn keine Zeit für beide Castles ist. In Cape Coast habe ich persönlich die Bedingungen in den Kerkern besser erahnen können und deshalb war dieses Castle für mich das einschneidendere Erlebnis. Aber ob es jetzt Cape Coast, Elmina, oder ein ganz anderes Slave Castle ist – wenn man sich an der westafrikanischen Küste befindet, ist die Besichtigung eines “Slave Castles” ein absolutes Muss.
Die Umgebung des Elmina Castles.
Pfälzer Mädel Annerschtwo
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