Salkantay - Tagebuch: Tag 1/4
9/19/2024
Eine 4-tägige Wanderung zu einem der sieben Weltwunder? Das haben wir (8 Freunde und ich) uns nicht zweimal sagen lassen und sind von Cusco aus zum Salkantay-Trek aufgebrochen. Die meisten Wanderer schließen sich einer geführten Tour an, doch wir hatten Lust auf Abenteuer und insbesondere darauf, Geld zu sparen. Was genau wir im Vorfeld geplant haben, wo wir übernachtet haben, welche Route wir gewandert sind und welche hilfreichen Tipps ich sonst für dich gesammelt habe, erfährst du in einem weiteren Blogbeitrag.
In diesem Artikel geht es nämlich primär um meine (sehr) persönlichen Erfahrungen und Gedanken während dieser mehrtägigen Wanderung. So viel kann ich schonmal verraten – mein Körper hat mich in diesen Tagen wirklich jede einzelne Gefühlslage spüren lassen. Da ich aus Gewichts- und Platzgründen meinen Laptop in Lima gelassen habe, habe ich nur ein kleines Notizheft dabeigehabt, in dem ich meine Gedanken abends niedergeschrieben habe. Jetzt sitze ich am Küchentisch in meiner WG in Lima, habe Latino-Musik auf dem Ohr und freue mich einfach unglaublich darauf, diese einmalige Erfahrung noch einmal durchleben und Revue passieren lassen zu können. Ich kann gerade auch einfach nicht mehr aufhören zu grinsen. Da mir in diesen 4 Tagen ziemlich viele Gedanken durch den Kopf gingen, ist dieser Artikel der erste der vierteiligen ‚Salkantay-Tagebuch-Reihe‘. Also, los geht die Reise zum weltberühmten Machupicchu!
[photo taken by Kacper Rzepecki]
Tag 1/4: 12 Kilometer, 550 Höhenmeter
Um 4 Uhr morgens ging es heute morgen in Cusco los – für 50 Soles (ca. 12€) pro Person haben wir gestern einen Fahrer gefunden, der uns nach Challacancha gebracht hat. Es hätte sicherlich noch eine günstigere Möglichkeit gegeben, allerdings hatten wir schon zwei anstrengende Tage bei den Rainbow Mountains Palcoyo und Pallay Punchu hinter uns, weshalb wir uns für die sichere und entspanntere Transportoption entschieden haben. Ein Frühstück, eine Registrierung und einen Pferdestau auf der Straße später, kamen wir um kurz vor 8:30 Uhr endlich am Ausgangspunkt unserer Wanderung an. Der eigentliche Startpunkt der Wanderung ist in Mollepata, allerdings wandern wir den Trek in 4 und nicht wie andere in 5 Tagen, weshalb wir es zu Beginn nicht ausreizen wollten. Außerdem konnten wir die Distanzen und die auf uns zukommende Anstrengung sowieso nur schwer einschätzen. Dann ging es endlich los – von Challacancha nach Soraypampa, das war der Beginn unserer Mehrtageswanderung.
Müde, aber voller Vorfreude auf dem Weg nach Challacancha
Der Trail bis zu unserem Hostel in Soraypampa war, bis auf den steilen und anstrengenden Anstieg am Anfang, sehr angenehm zu laufen, da er relativ ebenerdig ist. Die ersten Blicke auf die schneebedeckten Anden waren einfach unglaublich. Da viele Tourbusse Wanderer bis nach Soraypampa fahren, ist die Straße durch den aufgewühlten Staub nicht sehr angenehm zu „belaufen“. Ein paar Minuten nach dem Control Point in Challacancha (unserem Startpunkt) geht auf der linken Seite ein Wanderweg von der Straße ab. An diesem sind wir natürlich erstmal vorbeigelaufen. Da wir schon zu Beginn sehr unterschiedliche Lauftempi in unserer Gruppe hatten, waren die ersten schon so weit voraus, dass einer von uns einen halben Sprint für einen knappen Kilometer hinlegen musste, um die anderen zurückzurufen – das fing ja gut an… Keine fünf Minuten unterwegs und schon haben wir uns halb verloren.
Aber gut, nach etwas warten waren wir alle wiedervereint und die Wanderung konnte so richtig losgehen. Da Challacancha schon auf etwa 3500 m ü. M. liegt, kam ich beim Anstieg schon ganz schön ins Schnaufen. Dazu kommt, dass ich noch nie mit einem so großen und vor allem schweren Rucksack gewandert bin. Ich habe zwar einiges an Kleidung in unserem Hostel in Cusco gelassen, aber vielleicht ist es doch zu viel. Ich hoffe, ich habe wirklich nur das Nötigste eingepackt. Naja, ich werde in den nächsten Tagen merken, wie viel ich wirklich von meinen Sachen nutze und anziehe.
Aber zurück zum Aufstieg – sagen wir so, ich war sehr froh, als ich erfahren habe, dass es nicht die ganzen 8 Kilometer bis Soraypampa bergauf geht. Außerdem war es erstaunlich warm, was die Höhenmeter nicht gerade angenehmer gemacht hat. Der anfängliche Aufstieg hat mir gezeigt, dass die nächsten Tage vermutlich kein Zuckerschlecken werden. Das habe ich aber auch nicht gedacht. Als wir endlich oberhalb der Straße am Berghang entlanglaufen konnten, habe ich angefangen, es richtig zu genießen. Und zu grinsen. 4 Tage Wandern ist ja schon cool. Aber in Südamerika? Mitten in den Anden? Mit dem Machupicchu als Ziel??? Eines der sieben neuen Weltwunder? Ich glaube, mich muss mal jemand kneifen. Der erste Teil des Treks bis Soraypampa hat mir unglaublich viel Lust auf das gemacht, was noch kommt. Noch am Vormittag sind wir in unserem Hostel angekommen – was ein schönes Gefühl, den Backpack endlich ablegen zu können.
Doch auch wenn wir unser Hostel bereits erreicht haben – die Wanderung für heute war noch nicht vollendet! Denn was noch fehlte, war die Laguna Humantay. Direkt vor unserem Hostel ging der Trail zur Lagune los. Viele Touren bringen die Wanderer nach Soraypampa als Startpunkt, sodass Tag 1 nur aus der Wanderung zur Lagune besteht. Außerdem gibt es auch einige Ein-Tages-Touristen, die in Cuzco früh morgens abgeholt und nach der Wanderung wieder nach Cusco zurückgebracht werden. Daher ist es keine Überraschung, dass man auf sehr viele andere Wanderer trifft. Unser Timing war aber anscheinend perfekt und wir wanderten zur Lagune hoch, während uns die Massen (ja, es waren sehr viele Menschen) entgegenkamen. Der Beginn des Trails ist so gut wie nicht zu übersehen, wenn man auf dem „Hauptweg“ durch Soraypampa läuft. Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, den Weg zur Laguna Humantay als Wanderweg zu bezeichnen. Es gibt nämlich keinen klaren Pfad, sondern man kann den ganzen Berg oder Hügel nutzen, der größtenteils auch als Pferdeweide dient, um zur Lagune zu gelangen. Solange man bergauf geht, ist alles gut, denn: Es geht tatsächlich ca. 2 km einfach nur den Berg hoch. Ohne Unterbrechung.
Der wunderschöne Blick auf den schneebedeckten Salkantay
Nachdem ich heute Vormittag pure Glücksgefühle verspürt habe, nun endlich meinen Traum von einer Wanderung zum Machupicchu erfüllen zu können, sah es am Nachmittag ganz anders aus. Auf unserem Trip nach Cuzco und der Mehrtageswanderung sind wir zu neunt unterwegs, sieben Jungs und zwei Mädels. Der erste Teil unserer Gruppe ist in ordentlichem Tempo gestartet, was auch gar kein Problem war. Der Vorteil unserer Gruppengröße liegt genau darin, dass wir uns beim Wandern aufteilen können, ohne, dass jemand ganz alleine laufen muss. Joao und Emma sind vor mir gelaufen, aber waren auch noch deutlich schneller unterwegs als ich. Ich habe daher (unfreiwillig) den Schluss gebildet – ich konnte einfach nicht schneller. Ich habe mich nicht stressen lassen und mich auch nicht selbst unter Druck gesetzt, aber es hat sich – sorry für die Ausdrucksweise – einfach scheiße angefühlt. Die anderen Jungs waren sicherlich schon über 45 Minuten an der Lagune, bis ich als letzte ankam. Aber es ging einfach nicht anders, meine Kondition hat mir einen absoluten Strich durch die Rechnung gemacht. Ich meine, das war auch keine große Überraschung – schließlich war ich in den letzten 5 Wochen fast ausschließlich krank und nur an 2 Tagen in dieser Zeit zu 100% gesund. Außerdem liegt die Lagune auf 4.200 Metern, was natürlich nochmal eine andere Extrembelastung war. Trotzdem habe ich mich einfach total unsportlich gefühlt, vor allem, als mir Leute entgegenkamen, die ich eher zur Rentnergeneration zählen würde. Aber gut, ich weiß ja auch nicht, wie lange diese Personen gebraucht haben, um den Aufstieg zu meistern, oder ob sie vielleicht sogar auf Pferden nach oben geritten sind. Einen wirklichen Vergleich mit anderen Wanderern außer mit meinen Freunden hatte ich nämlich nicht, da eben schon alle anderen Wanderer auf dem Rückweg waren. Und bergab geht es bekanntlich schneller als bergauf. Mit dem Wissen über den morgigen Tag habe ich zwischendurch tatsächlich mit den Tränen kämpfen müssen. Denn morgen steht der anstrengendste und herausforderndste Tag des gesamten Salkantay-Treks an: 25 Kilometer und über 900 Höhenmeter Aufstieg bis zum höchsten Peak des Treks auf ca. 4650 m ü. M. warten auf mich. Ich habe mich so sehr auf diese Wanderung gefreut und jetzt habe ich einfach Angst, dass ich es wegen meiner Gesundheit nicht genießen kann und sogar noch die ganze Gruppe dabei aufhalte. Als ich endlich an der Lagune angekommen bin, habe ich den Rest meiner Gruppe direkt gesehen. Ich war so fertig - ich wollte nicht, dass jemand irgendetwas zu mir sagt. Ich hatte Angst, dass ich sofort in Tränen ausbrechen würde. So kenne ich mich sonst gar nicht. Ich weine fast nie. Okay, das stimmt nicht – ich bin immer die erste, die bei Filmen weint, egal ob vor Freude oder vor Traurigkeit. Aber ich weine nicht wegen Enttäuschung, Stress, Druck oder Anstrengung. Well… vielleicht habe ich da vorhin eine neue Seite von mir kennengelernt. Ich habe einfach versucht, keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und bin ans Wasser gelaufen.
Der Beginn der Wanderung zur Laguna Humantay
Aber dadurch, dass sie schon so lange Zeit vor mir an der Lagune waren, haben sie auf mich einen super erholten Eindruck gemacht. Naja, die „Extra-Wanderung“ habe ich dankend abgelehnt und gesagt, dass ich bei ihren Sachen bleiben und unten an der Lagune warten würde. Ich habe mir mit Jacken ein Kissen gebaut und mich auf einen Felsen mit Blick auf die Lagune gelegt – und ein paar Tränen verdrückt, nachdem die anderen außer Sichtweite waren. Ich war einfach nur fix und fertig mit der Welt und habe mir den Kopf über die nächsten Tage zerbrochen. Jetzt hatte ich ja noch nicht mal meinen großen Backpack auf, da ich den im Hostel lassen konnte. Ich habe mich so schlecht gefühlt und war einfach nur enttäuscht von mir selbst. Aber gut, ändern kann ich jetzt sowieso nichts mehr und ich werde morgen, wie heute auch, mich eben durchbeißen müssen. Deshalb habe ich mich lieber auf meine Umgebung konzentriert, auf den schneebedeckten Berg im Hintergrund der Lagune geblickt und versucht zu realisieren, wo ich gerade bin und was ich erleben darf – und dass ich diejenige unserer Gruppe war, die die Idee mit dem gesamten Salkantay-Trek überhaupt angeleiert hat HAHAHA. Selbst schuld kann ich da nur sagen. Die Lagune an sich hat mich, um ehrlich zu sein, nicht vom Hocker gehauen – Vermutlich hätten ein paar Sonnenstrahlen der Wasserfarbe nicht geschadet. Trotzdem war die Bergkulisse natürlich beeindruckend. Ich habe die anderen noch etwas aus der Ferne beobachtet und schließlich meine Augen zugemacht und vor mich hingedöst, um ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Der Abstieg im Anschluss war kein Problem, auch wenn es bei so vielen Höhenmetern irgendwann unangenehm wird, immer nur bergab zu laufen. Doch irgendwann war auch das geschafft und wir waren zurück im Hostel.
Kurz nachdem ich angekommen bin, haben die anderen vorgeschlagen, noch zu einem höheren Punkt auf der gegenüberliegenden Seite der Lagune zu wandern. Ich habe ehrlich gedacht, die wollen mich doch verarschen. Als ob sie bei dem Aufstieg, bei dem ich so sehr kämpfen musste, tatsächlich kein bisschen Anstrengung verspürt haben. Okay, das ist natürlich meine sehr subjektive Momentaufnahme gewesen und ich bin mir sicher (beziehungsweise hoffe ich es einfach mal), dass auch sie ein bisschen ins Schnaufen kamen.
Eine kleine Ergänzung: Ganz zu Ende war der Tag noch nicht, denn dafür war der Sternenhimmel zu schön. Also haben wir uns warm eingepackt, sind ein (kleines) Stück des Trails zur Lagune hochgelaufen, und haben fernab von jeglicher Lichtverschmutzung in den Himmel gestarrt. Die Pferdeäpfel auf dem Boden waren mir egal, ich musste mich einfach hinlegen und den Moment genießen. Mit der Handytaschenlampe habe ich den Boden grob gecheckt und mich dann hingelegt. Und einfach nur voller Faszination in den Himmel geschaut. Man konnte sogar die Milchstraße sehen. Und eine Sternschnuppe nach der anderen, wobei ich meistens gerade dann in die falsche Richtung geschaut habe. Bei diesem Anblick in die unendliche Weite des Universums haben meine Gefühle vom Nachmittag absolut an Bedeutung verloren und alles hat plötzlich so klein gewirkt. Ich habe mir keine Sorgen mehr über morgen gemacht, sondern einfach nur sprachlos vor Begeisterung die Sterne beobachtet. Neben dem Maunakea auf Big Island (Hawai’i) und der Wüste in Namibia war das eindeutig einer der beeindruckendsten Sternenhimmel, den ich je gesehen habe. Nachdem es aber irgendwann wirklich zu kalt wurde, ging somit der erste Tag des Salkantay-Treks nach etwa 12 Kilometern und 550 Höhenmetern auf circa 3.800 Metern zu Ende.
Jetzt sitze ich hier draußen im Hostel und freue mich schon auf das wohlverdiente Abendessen. Es wird gerade sehr kalt und mir wird bewusst, dass es heute Nacht tatsächlich Minusgrade haben wird. Ich bin gespannt, was ich morgen zu berichten habe. Es geht ein Tag mit gemischten Gefühlen zu Ende und ich realisiere, dass „Wandern zum Machupicchu“ zwar cool klingt, aber eben auch ein ganzes Stück Arbeit und Anstrengung dazugehört:).
Ohne jegliche Lichtverschmutzung mitten in den Anden - dieser unglaubliche Sternenhimmel
[photo taken by Kacper Rzepecki]
Pfälzer Mädel Annerschtwo
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