Salkantay - Tagebuch: Tag 3/4

9/26/2024

Eine 4-tägige Wanderung zu einem der sieben Weltwunder? Das haben wir (8 Freunde und ich) uns nicht zweimal sagen lassen und sind von Cusco aus zum Salkantay-Trek aufgebrochen. Die meisten Wanderer schließen sich einer geführten Tour an, doch wir hatten Lust auf Abenteuer und insbesondere darauf, Geld zu sparen. Was genau wir im Vorfeld geplant haben, wo wir übernachtet haben, welche Route wir gewandert sind und welche hilfreichen Tipps ich sonst für dich gesammelt habe, erfährst du in einem weiteren Blogbeitrag.

In diesem Artikel geht es nämlich primär um meine (sehr) persönlichen Erfahrungen und Gedanken während dieser mehrtägigen Wanderung. So viel kann ich schonmal verraten – mein Körper hat mich in diesen Tagen wirklich jede einzelne Gefühlslage spüren lassen. Da ich aus Gewichts- und Platzgründen meinen Laptop in Lima gelassen habe, habe ich nur ein kleines Notizheft dabeigehabt, in dem ich meine Gedanken abends niedergeschrieben habe. Jetzt sitze ich am Küchentisch in meiner WG in Lima, habe Latino-Musik auf dem Ohr und freue mich einfach unglaublich darauf, diese einmalige Erfahrung noch einmal durchleben und Revue passieren lassen zu können. Ich kann gerade auch einfach nicht mehr aufhören zu grinsen. Da mir in diesen 4 Tagen ziemlich viele Gedanken durch den Kopf gingen, ist dieser Artikel der dritte Beitrag der vierteiligen „Salkantay-Tagebuch“ Reihe. Also, weiter geht die Reise zum weltberühmten Machupicchu!

[photo taken by Kacper Rzepecki]

Tag 3/4: 21.2 Kilometer, 380 Höhenmeter

Heute stand eine Strecke der etwas anderen Art an: Es ging nämlich nicht von Anfang an ohne jegliche Unterbrechung nur bergauf und dann wieder bergab, sondern der Trail war deutlich abwechslungsreicher als an den zwei Tagen zuvor. Es versteht sich von selbst, dass „abwechslungsreich“ auf das Streckenprofil und nicht auf die Ausblicke und die Natur bezogen ist. Viel abwechslungsreicher als am Vortag, als wir sowohl vor schneebedeckten 6000ern standen als auch durch urwaldähnliche Vegetation wanderten, ging es js wirklich kaum.

Wie immer ging es mit gutem Tempo los – heute konnte ich auch ohne Probleme mit meinen (viel zu sportlichen) Freunden mithalten. Zum einen, weil wir größtenteils unter 3000 Metern gewandert sind, und zum anderen, weil sich meine Kondition durch die letzten zwei Tage Höhentraining vermutlich schon verbessert hat. Generell mochte ich die heutige Tagesetappe sehr, da wir fast den ganzen Tag alle zusammen gewandert sind. Nur zwei von uns sind später in Chaullay aufgebrochen und dadurch separat von uns gewandert.

Los geht Tag 3! Dieser wunderschöne Ausblick begegnet einem schon auf dem ersten Kilometer

Heute hatte ich unglaublich viel Spaß beim Wandern – irgendwie hatte jeder gute Laune, zumindest habe ich das so wahrgenommen. Außerdem war der Weg bei weitem nicht so anstrengend wie am gestrigen Tag, sodass fleißig ein Lied nach dem anderen angestimmt werden konnte. Auch wenn die Anstrengung nicht mit den Tagen zuvor zu vergleichen war – Singen war bei mir während des Bergaufgehens definitiv nicht drin. Dafür habe ich mich dann aber schön von den Klängen des Männerchors um mich herum vorantreiben lassen:). Da mussten auch immer die Wanderer der anderen Touren grinsen, wenn wir an ihnen vorbeigelaufen sind.

Nach etwa sieben Kilometern haben wir eine Sandwich-Pause eingelegt. Wie eigentlich jeden Tag haben wir uns im Hostel Sandwiches (meistens 5 Soles pro Stück) zubereiten lassen und als Lunchpaket mitgenommen.

Keine halbe Stunde später kamen wir an einem großen Rastplatz vorbei, an dem auch einige Touren pausierten – hätten wir das gewusst, hätten wir mit unseren Sandwiches noch ein paar Minuten länger gewartet. Da wir gerade Pause gemacht hatten, waren wir schon dabei, einfach vorbeizulaufen und die Wanderung fortzusetzen. Doch dann sahen wir, dass ein Fußball auf dem Platz lag und es sogar zwei Tore gab – und naja, weil uns 22 Kilometer Wandern heute noch nicht genug verausgaben würden, musste natürlich eine Runde Fußball gespielt werden. Auf etwa 2800 Metern kam ich beim Rennen in meinen Wanderschuhen irgendwann ganz schön aus der Puste. Der Platz war uneben, sodass jeder Angriff auf das gegnerische Tor auch einen Anstieg bedeutete. Aber es hat Spaß gemacht. Irgendwann habe ich mich aber ausgeklinkt – schließlich lag noch über die Hälfte der Wanderung vor uns, und ich wollte es nach den letzten beiden Tagen nicht übertreiben. Ich glaube, die anderen Wanderer haben echt gedacht, wir hätten nicht alle Tassen im Schrank – aber ich kann es ihnen nicht übelnehmen, ich hatte nämlich genau denselben Gedanken. Die Jungs haben immer weitergespielt, und ich habe mich einfach nur gefragt, woher sie diese Kondition nehmen.

Während der nicht so kurzen Fußball-Einheit habe ich das erste Mal so richtig die Moskitos bemerkt. Während Moskitos an den ersten beiden Tagen gar kein Problem waren – wir waren ja auch fast 2000 Meter höher –, habe ich mich heute das erste Mal so richtig mit Moskito-Spray eingesprüht. Ich habe im Vorfeld gehört, wie übel man wohl auf den letzten beiden Salkantay-Tagen zerstochen werden würde, und habe deshalb auch meine langen Hosen angelassen. Die Temperaturen würden es seit heute definitiv zulassen, in Shorts zu wandern. Aber das war mir zu riskant.

Nachdem mein Trip in Cusco zunächst unverhofft mit Parasiten in meinen Schuhen und daraus folgend auch an/in meinen Füßen gestartet war, kann ich jetzt erstmal auf juckende Haut verzichten. Zum Glück schien sich mein Parasiten-Problem aber gelöst zu haben – den Ausschlag sah man zwar noch, aber er war nicht mit den ersten Tagen zu vergleichen. Außerdem dachte ich vor dem Start der Wanderung auch noch, dass sich die Parasiten auch auf meinen Beinen und meinem Bauch ausgebreitet hätten. Doch vermutlich haben das Medikament, das ich geschluckt habe, und die Creme, die ich aus der Apotheke bekommen habe, genau zum richtigen Zeitpunkt angefangen zu wirken. Aber genau deshalb wollte ich es nicht riskieren, an meinem ganzen Körper jetzt Moskito-Stiche zu bekommen.

Eingesprüht ging die Wanderung weiter, größtenteils auf etwas schmäleren Pfaden als in den letzten Tagen. Während der Weg abwechselnd bergauf und -ab ging, sich sowohl an Berghängen entlang als auch teilweise durch den Wald schlängelte und daher ziemlich abwechslungsreich war, veränderte sich die Natur nicht so stark und schnell wie am gestrigen Tag. Das lag vor allem daran, dass sich die Höhe nicht mehr so stark veränderte und daher die Vegetation relativ ähnlich blieb.

Ich habe es genossen, dass der Trail etwas mehr Wanderweg-Charakter hatte und nicht breite Schotterpisten den Großteil der Etappe bildeten. So ging es zwischendurch mal über (mehr oder weniger vertrauenswürdige) Brücken, durch kleinere Geröllfelder und an exponierteren Stellen vorbei. Auch wenn sich die Natur nicht mehr stetig veränderte – die Ausblicke blieben einfach wunderschön.

[photo taken by Kacper Rzepecki]

Ich konnte nicht genug davon bekommen und bin zwischendurch immer mal wieder stehen geblieben, um mich umzudrehen und mir einen Moment zu nehmen, um zu realisieren, wo ich gerade bin und wie schön es hier ist. Daran musste ich mich einige Male erinnern. Denn dadurch, dass wir meistens mit relativ schnellem Tempo unterwegs waren, war man teilweise mehr damit beschäftigt, darauf zu achten, wo man hintritt, als auch mal den Blick zu erheben und in die Weite zu schauen.

Wie auch am Tag zuvor sind wir während der zweiten Hälfte des Trails fast keinen anderen Wanderern oder Touren begegnet – wenn ich darüber nachdenke, glaube ich sogar, dass wir nach unserer Fußball-Pause niemandem mehr begegnet sind. Heute lag das aber nicht daran, dass wir besonders schnell waren, sondern vermutlich daran, dass die Fußball-Einheit länger dauerte als gedacht und wir im Anschluss immer mal wieder kürzere Pausen eingelegt haben.

Die Ausblicke enttäuschten mich ganz und gar nicht

[photo taken by Kacper Rzepecki]

Heute war es definitiv gut und wichtig, dass einige von uns eine GPS-Karte des Trails heruntergeladen hatten – während an den ersten beiden Tagen eigentlich wenig schiefgehen konnte und der Wanderweg schwer zu verfehlen war, gab es heute dann doch einige Wegkreuzungen. Nach einiger Zeit wanderten wir schließlich im Tal direkt am Fluss entlang, den wir den ganzen Tag schon von oberhalb sehen konnten. Als wir, vermutlich etwa drei oder vier Kilometer von unserem Hostel entfernt, einen kleinen Stand am Straßenrand sahen, der mit „hamburguesas“ warb, konnten wir nicht widerstehen – zumindest ein Teil der Gruppe nicht. Somit haben wir uns kurz vor Schluss doch noch aufgeteilt. Während die Hälfte von uns weiterlief, haben wir anderen unsere Hamburger für 6 Soles (1,50 €) mehr als genossen. Nur die vielen Fliegen und Moskitos am Tisch haben etwas genervt. Während der Wartezeit haben wir mit dem kleinen Sohn der Besitzerin gescherzt und beobachtet, wie nach und nach die Kinder in ihren Uniformen von der Schule zurückgekommen sind.

Denn wir waren wieder zurück in der Zivilisation und am Ortseingang eines kleinen Dorfes, wie wir später festgestellt haben. Anschließend machten wir uns frisch gestärkt auf, um auch noch die letzten Kilometer hinter uns zu bringen. Und wie immer haben sich die allerletzten Meter wie Kaugummi gezogen. Als wir durch den Ort gelaufen sind, haben wir auch die Schule gesehen, von der die Kinder zuvor zurückgekommen waren. Ich weiß, es ist nur eine Schule. Aber irgendwie mag ich es, solche alltäglichen Dinge und Orte in anderen Ländern zu beobachten. Egal, ob es Menschen sind, die wie jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit zu ihrer Arbeit aufbrechen, Kinder, die aus der Schule heimlaufen, oder Personen, die wie jeden Tag versuchen, Waren aus ihrem kleinen Laden zu verkaufen.

So sehr ich die Natur liebe, so sehr liebe ich es, Leben und Alltag zu sehen. Diese Orte wurden nicht für Touristen geschaffen, sondern sie sind das Zuhause von so vielen Menschen. Das darf man nicht vergessen.

Weniger als einen Kilometer vor unserem Ziel haben wir auch den Rest unserer Gruppe wieder getroffen, da sie eine Badepause an der Stelle eingelegt hatten, wo ein Fluss/Bach den Weg kreuzt. Wieder vereint legten wir die letzten Meter zurück und kamen am Nachmittag endlich an unserem Hostel an – dem Lia B&B in Lucmabamba. Da wir ja noch nicht weit genug gelaufen waren, sind wir in einer kleinen Gruppe eine Stunde später nochmal zurück zum Fluss gegangen, um uns abzukühlen. Der Plan war gut – in der Theorie. Wir hätten uns eigentlich denken können, dass die Moskitos nicht nur gerne Wasser mögen, sondern vor allem auch die Dämmerung. Naja, als wir schon mal da waren, sind wir trotzdem kurz ins Wasser gegangen – einfach aus Prinzip. Da die Mückensituation aber echt extrem war und das Wasser sehr kalt, sind wir nach wenigen Minuten auch schon wieder raus und haben uns auf den Rückweg zum Hostel gemacht.

Nach einer glücklicherweise warmen Dusche haben wir uns mit einem Bier im Essensbereich des Hostels belohnt.

Und jetzt, zurück in Lima, muss ich noch ein paar Sätze hinzufügen: Was soll ich sagen, bei einem Bier ist es nicht geblieben – wir wurden immer mehr Leute, und auch die anderen Gäste waren in bester Trinklaune. Und so, völlig ungeplant, wurde nach verschiedenen (internationalen) Trinkspielen eine Flasche Bier nach der nächsten gekauft und geleert. Das hat mir mal wieder gezeigt – die spontansten Aktionen sind einfach die witzigsten. Wir haben einfach ausgeblendet, dass wir am nächsten Tag noch eine ordentliche Etappe (mit über 1000 Höhenmetern …) vor uns hatten. Das mit den 1000 Höhenmetern habe ich aber sowieso erst am nächsten Tag erfahren, daher war es sowieso egal, haha. Aber dadurch, dass es hier so früh dunkel wird, haben wir das erste Bier auch schon um 17 Uhr aufgemacht und konnten daher um 21 Uhr besten Gewissens den Abend beenden und ins Bett fallen. Ich habe so viel gelacht an diesem Abend – ich könnte versuchen, den Verlauf des Abends inklusive mancher Anekdoten zu schildern, aber das würde dem Moment einfach nicht gerecht werden.

Und so geht auch der dritte und vorletzte Tag des Salkantay-Treks zu Ende. Morgen heißt unser Ziel Aguas Calientes. Ich kann nicht glauben, dass ich in zwei Tagen am Machu Picchu sein werde. Realisieren werde ich es vermutlich erst, wenn ich ihn mit meinen eigenen Augen sehe. Aber dafür muss ich die morgige Etappe erstmal meistern – Endspurt!

Hier gehts zu den anderen drei Etappen des Salkantay-Treks: